Des Königs viele Leiber. Die Selbstdekonstruktion der Hierarchie
des Rechts - Gunther Teubner
(1) Für kritische Hinweise danke ich Lindsay
Farmer, Nicola Lacey, Tim Murphy, Alan Pottage, Anton Schütz, Cornelia
Vismann.
(2) Zur Dekonstruktion des Rechts und zur Reformulierung
von Gerechtigkeit Derrida
1990, 952ff.; 1993,
147f., 167ff.; vgl. auch Kramer
1988, 422ff.; 1991;
Cornell 1990;
1992a; 1992b;
Schlag 1990; 1991;
Douzinas/Warrington
1994.
(3) Zum Verhältnis von Dekonstruktion und Systemtheorie
mit unterschiedlichen Nuancen Cornell
1992a; 1992b;
Fuchs 1995, 33ff.;
Somek 1995,
204; Berg/Prangel
1995; Ladeur
1996; Stäheli 1996;
Hahn 1996.
(4) Man erfaßt die operative Realität der Rechtshierarchie
nicht, wenn man sie im Begriffspaar soziologische Fremdbeschreibung
versus rechtstheoretische Selbstbeschreibung einfängt und sie dann
nur als rechtstheoretische Selbstbeschreibung versteht. Vielmehr
handelt es sich um eine Selbstbeschreibung der heutigen Rechtspraxis
(besonders der Gerichte), die diese benutzt, um ihre Operationen
rekursiv mit anderen Operationen zu verknüpfen. Dazu bedarf es des
juristischen Nachweises der Gültigkeit einer anzuwendenden Norm,
der dadurch geführt wird zu zeigen, daß sich die fragliche Norm
innerhalb der Normhierarchie befindet (Entscheidung, untergesetzliche
Normen, gesetzliche Normen, Verfassungsnormen). Eine Auflösung der
Normenhierarchie würde entsprechend Rechtsoperationen blockieren,
wenn nicht gleichzeitig eine nichthierarchische Verknüpfungsform
bereitgestellt wird.
(5) Der Begriff "Globalisierung" des
Rechts ist in gewisser Weise irreführend. Er scheint nahezulegen,
daß eine Vielheit national organisierter Rechtssysteme sich nun
auf ein einheitliches Weltrechtssystem zubewegt. Angemessener ist
es, von der Existenz eines globalen Rechtssystems schon von dem
Moment an zu sprechen, in dem sich Rechtskommunikation weltumspannend
abspielt. Nationale Rechtsordnungen sind (im Unterschied zum gängigen
juristischen Sprachgebrauch) ihrerseits keine eigenständigen Rechtssysteme,
sondern sind Formen der territorialen Binnendifferenzierung der
globalen Rechtskommunikation (vgl. Luhmann
1982; 1993b,
571ff.; Stichweh
1995; Schütz 1996).
"Globalisierung" des Rechts bedeutet dann genauer, daß
sich im Unterschied zum Kollisionsrecht des internationalen Privatrechts,
das nur zwischen Geltungsansprüchen nationaler Rechte entscheidet,
Rechtsnormen mit globalem Geltungsanspruch herausbilden. Im Unterschied
zum klassischen Völkerrecht sind an dieser Globalisierung des Rechts
nicht nur inter-nationale Vereinbarungen, sondern andere Rechtsbildungsprozesse
- nicht nur globale Politik, sondern andere Sozialsysteme - beteiligt.
(6) Natürlich ist die sich heute abzeichnende
Globalisierung des Rechts nicht der einzige historische Moment,
in dem das Rechtsparadox in einer für die Rechtspraxis folgenreichen
Weise sichtbar wird. Der Zusammenbruch des Naturrechts als Folge
gesellschaftsstruktureller Veränderungen hatte das Rechtsparadox
in ähnlich dramatischer Weise sichtbar gemacht und einen Umbau der
Geltungsgrundlagen des Rechts veranlaßt. Dazu Luhmann
1988.
(7) Zu verschiedenen Aspekten eines solchen Weltrechts
ohne Staat vgl. die Beiträge im Sammelband Teubner
1996b.
(8) Für Einzelanalysen siehe Teubner
1996a.
(9) So der Titel eines Sonderhefts der Cardozo
Law Review zum Thema Recht und Dekonstruktion in Anspielung auf
Jerome Franks psychoanalytisch orientierte Studie "Law and
the Modern Mind".
(10) "La loi est transcendante et théologique,
donc toujours à venir, toujours promise, parce qu'elle est immanente,
finie et donc déjà passée" (Derrida
1990, 958, 992).
(11) Ähnlich starke Selbstverpflichtungen zu
politischem Handeln als Folge dekonstruktiver Aktivitäten in Derrida
1990, 930f.
(12) Zum Rechtspluralismus siehe neuerdings
Petersen/Zahle
1995.
|